Ersin Bengi

Prien in Oberbayern, eine beschauliche Gemeinde am Chiemsee – im Februar 2014 aber Schauplatz einer Schießerei. Ein damals 38-jähriger Mann aus Prien hatte im Ortskern seiner Ex-Freundin aufgelauert. Laut Augenzeugen schlug er zunächst brutal auf sie ein und zerrte sie an den Haaren. Mehrere Passsanten sollen ihn aufgefordert haben, von der Frau abzulassen. Vergeblich. Der Mann zog eine Waffe und bedrohte seine frühere Lebensgefährtin massiv und das am späten Nachmittag mitten im Ort, als viele Menschen unterwegs waren.

Der 49-jährige Ersin Bengi hielt sich in der Änderungsschneiderei seiner Frau auf und sah aus dem Fenster die bedrohliche Situation. Er rannte aus dem Laden und schrie den Mann mehrmals an: „Hör auf!“ Als der 38-Jährige die Waffe auf ihn richtete, wich er kurz aus, um dann erneut helfend einzugreifen. Dann hörte Ersin Bengi zwei Schüsse. Die bedrohte Frau konnte weglaufen und in einer Gaststätte Schutz suchen. Ein Streifschuss traf Bengi an der Oberlippe, doch das nahm er kaum wahr, denn dann „schaute mir der Mann in die Augen und schoss mir in die Brust“, so schilderte es der 49-Jährige in der Gerichtsverhandlung. Das Projektil drang in die Brust ein und blieb im Rücken stecken. Zwei weitere Helfer konnten den Täter überwältigen, einer von ihnen war Notarzt und übernahm die Erstversorgung des schwer verletzten Ersin Bengi. Noch im Krankenhaus dankte ihm der Priener Bürgermeister Jürgen Seifert (rechts im Bild) für sein couragiertes Handeln.

Rund neun Monate später kam es vor dem Schwurgericht Traunstein zur Verhandlung gegen den 38-Jährigen. Ihm wurde eine paranoide Psychose attestiert, er ist demnach nicht schuldfähig und befindet sich nun in einer psychiatrischen Klinik. Ersin Bengi leidet noch massiv unter den Folgen der Tat. Er ist gesundheitlich derart beeinträchtigt, dass er seinen Beruf als Lkw-Fahrer nicht mehr ausüben kann. Auch seelisch sei er sehr mitgenommen, so seine Anwältin. Durch die Tat sei er buchstäblich aus dem Leben herausgerissen worden. Ersin Bengi selbst sagt rückblickend: „Ich habe aus Menschlichkeit geholfen, und ich hatte keine Angst. Aber heute habe ich Angst.“

Foto v. li. n re.: Ersin Bengi, Bürgermeister Seifert