Paulina Hoppe

München – Paulina ist ein mutiges Mädchen. Ganz allein hat sich die Schülerin mit vier üblen Schlägern angelegt und mit ihrem Körper das am Boden liegende Opfer vor den Schlägen und Tritten der Angreifer geschützt.

Passiert ist das im vergangenen Juli (2012): ein Freund aus Paulinas Clique feiert Geburtstag. Die Jugendlichen grillen an der Isar nahe der Thalkirchner Brücke. Kurz vor Mitternacht bricht Paulina H. (damals 15) mit ihrer Freundin Pheline (16) auf. Die beiden Realschülerinnen wollen zum U-Bahnhof Thalkirchen.

Auf der Isarbrücke sehen sie vier junge Männer, die auf einen einzelnen einschlagen und treten. „Verpisst euch“, schreit Paulina, „ihr seid feige! Zu viert auf einen. Los, haut ab.“ Paulina zögert nicht. Sie denkt nur: „Ich muss helfen.“

Sie rennt auf den Mann am Boden zu. Martin S. (22) liegt zusammengekrümmt auf der Seite. Sie wirft sich über ihn. Das Opfer regt sich nicht, der Maler aus München ist bewusstlos. Die Angreifer treten ihn in den Nacken und gegen den Schädel. Paulina nimmt seinen Kopf, legt ihn in ihren Schoß, um ihn vor weiteren Treffern zu schützen.

Die Schläger sind nicht zu bremsen. Sie prügeln weiter, treffen dabei auch immer wieder Paulina. Sie treten sie mit Wucht in den Rücken.

In der Nähe stehen drei junge Männer, um die 20 Jahre alt. Doch das Trio gafft, keiner greift ein. Auch die anderen Leute, die an jenem Abend auf der Brücke sind, trauen sich nicht.

Schließlich verschwinden die Schläger. Die vier Münchner, 17 bis 18 Jahre alt – zwei von ihnne polizeibekannte Schläger, der dritte sogar ein speziell betreuter Intensivtäter – rennen zur U-Bahnstation.

Mehrere Polizeistreifen treffen am Tatort ein. Zwei Beamte haben den richtigen Riecher. Sie fahren zum Bahnhof Thalkirchen. Dort wartet eine U-Bahn. Sie lassen den Zug erst abfahren, nachdem sie sich die Personalien einiger Jugendlicher notiert haben. Zwei entpuppen sich später als flüchtige Schläger.

Die Burschen hatten an dem Abend unten an der Isar drei Mädchen getroffen und eines von ihnen dumm angemacht. Martin S. kannte das Opfer flüchtig und mischte sich deshalb ein. „Er hat den Mädchen beigestanden“, berichtet Kriminaloberkommissar Hubert Knöpfle. Der Maler begleitet das Mädchen zur U-Bahn. Auf dem Rückweg sieht er sich plötzlich den Jugendlichen wieder gegenüber.

Ein 17-Jähriger schlägt sofort zu. Martin S. geht zu Boden. Auch die anderen drei aus der Gruppe beginnen mitten auf der Brücke, auf den Maler einzuschlagen und ihn zu treten.

Das war der Moment, in dem Paulina dazu kam. „Ich bin ein spontaner Typ“, sagt die Neuntklässlerin. Sie lacht. „Ich weiß, ich sollte vorher überlegen, doch das klappt bei mir nicht immer“. Ihre Mutter, eine Hauptschullehrerin, ist stolz auf ihre große Tochter. Doch sie gibt auch zu: „Ich hab mich gegruselt, als ich erfahren habe, was Paulina sich getraut hat.“

Bei der Polizei ist man angesichts von so viel Zivilcourage beeindruckt. Ein Mädchen stellt sich vier hochaggressiven Tätern – das hat Kriminalhauptkommissar Simon Burghardt vom K23, zuständig für Jugendkriminalität, noch nicht erlebt: „Respekt, das war einzigartig“, lobt er.

200 Euro hat Paulina gestern im Präsidium für ihren mutigen Einsatz bekommen. Die Täter sind bereits verurteilt. Sie kamen glimpflich davon: Die beiden Haupttäter bekamen einen Monat Jugendarrest, die anderen eine Woche. Dank Paulina kam das Opfer mit einer Gehirnerschütterung davon. Martin S. ist wieder wohlauf und sagt: „Paulina hat mein Leben gerettet.“